Tagung für Frauen mit Behinderung
Beratung & Soziales
Der österr. Behindertenrat bat mit der etwas provokanten Frage: „Müssen wir darüber reden?“ zu einer Tagung für mehr Sichtbarkeit und öffentliche Wahrnehmung von Frauen mit Behinderungen.
Der österreichische Behindertenrat bat mit der etwas provokanten Frage als Untertitel: „Müssen wir darüber reden?“ zu einer Tagung, die dem Austausch und der Vernetzung diente, aber vor allem auch der Startschuß für mehr Sichtbarkeit und öffentlicher Wahrnehmung von Frauen mit Behinderungen sein sollte.
Armut und Gewalt: Wichtige Themen für Frauen mit Behinderung
Schon die Eröffnungsreden waren vielversprechend: Doris Schmidauer, Frau des Bundespräsidenten und Fürsprecherin für Frauenrechte, Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, Sozialministerin Brigitte Zarfl und Frauenministerin Ines Stilling fanden eindringliche Worte. Vor allem die Aspekte Armut und Gewalt gegen Frauen mit Behinderung wurden hervorgehoben. Doris Schmidauer: „Frauen mit Behinderung sind noch mehr von Armut betroffen als Frauen schon grundsätzlich. Daher müssen wir laut und viel darüber reden!“ Sie betonte, dass diese Konferenz dazu beitragen könne, einander zu stärken und Kraft zu geben. Sie schloß mit den Worten: „Gemeinsam sind wir stark!“
Hoher Frauenanteil
Auffallend bei dieser Konferenz war nicht nur, wie es die Vorsitzende des Monitoringausschusses, Christine Steger, betonte, die noch nie dagewesene Wertschätzung seitens der Politik. Auch der hohe Anteil an Frauen in aktiven Rollen war durchaus außergewöhnlich. Die Konferenz wurde von Gabriele Sprengseis und Heidemarie Egger vom Behindertenrat organisiert. Miriam Labus vom ORF moderierte die Tagung, am Podium waren hauptsächlich Frauen und auch das Publikum war überwiegend weiblich. Ob das der Grund dafür war, dass die geplanten Redezeiten eingehalten wurden? Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Brigitte Zarfl, erwähnte jedenfalls gleich zu Beginn die auffallend gute Energie im Raum.
Austausch über Diskriminierungserfahrungen
Nach Videobotschaften von internationalen Expertinnen mit Behinderungen widmeten sich die Vortragenden der Frage, wie denn die Situation von Frauen mit Behinderungen in Österreich ist. Viele Lebensgeschichten wurden erzählt, von Frauen, die aufgrund ihrer Behinderung in schwierige Situationen geraten sind, die sich nicht gegen Diskriminierung und Benachteiligung wehren konnten. Besonders betroffen machten die Beispiele sexualisierter Gewalt. Ines Stilling, Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, merkte an, dass über diese Themen immer noch zu wenig gesprochen wird und wünschte sich, „dass wir endlich alle so sein dürfen wie wir sind.“
Viele inspirierende Frauen kamen zu Wort, viele sehr persönliche Erfahrungen wurden geteilt, es gab bedrückende und nachdenklich machende Momente. Katrin Langensiepen, Politikerin aus Deutschland, die als erste Frau mit sichtbaren Behinderungen einen Sitz im Europäischen Parlament hat, gab allen Frauen mit auf den Weg: „Macht euch sichtbar! Bildet Banden! Vernetzt euch!“
Musikfestivals für alle
Dazu gab es dann auch am Ende dieses intensiven ersten Tages der Konferenz Gelegenheit. Als krönenden Abschluss lud die Hilfsgemeinschaft zu einem kleinen Umtrunk mit aktivem Element. Martina Gollner, Mitarbeiterin in der Beratung, aber auch selbstständige Unternehmerin und Teilnehmerin eines Forschungsprojekts, erzählte von einem neuen und spannenden Forschungsansatz. Dabei geht es darum, herauszufinden, was Menschen mit Behinderung brauchen, um selbstständig an Großveranstaltungen wie z.B. Musikfestivals teilnehmen zu können. Launig und kurzweilig berichtete sie von Erfahrungen und Erlebnissen rund um Barrieren und deren Beseitigung.
Und dann wurde getanzt! Lilli’s Ballroom war für den aktiven Abschluss des Tages verantwortlich. Zwei Trainerinnen zeigten einen sinnlichen Tango Argentino. Danach wurden alle animiert, zu schwungvoller lateinamerikanischer Musik in Bewegung zu kommen. Social Dance nennt sich diese inklusive Tanzmethode, die den Sehsinn mittels Tanzbrillen ausschaltet und ganz auf Intuition setzt. Menschen mit und ohne Behinderung lassen sich gemeinsam auf die Musik ein. Anfängliche Skepsis weicht echter Begeisterung!