Barrierefreie Tanzperformances im Tanzquartier
Kunst & Kultur, Schulungen & Projekte
Kann man Tanzperformances audiodeskribieren? Das Wiener Tanzquartier adaptiert sein Programm für Menschen mit (Seh-)Behinderung.
Bis heute sind Tanzperformances für viele Menschen mit Hör- oder Sehbehinderung eine unzugängliche Sache. Im Wiener Tanzquartier arbeitet man daran, dass das eines Tages endgültig Geschichte ist. Im Zuge des Projekts „Theater4all“ bietet das Tanzquartier - seit Oktober speziell für blinde und sehbehinderte Menschen einzelne Vorstellungen mit Live-Audiodeskription an.
Wer diesen Service nicht schon vom Theater kennt, kann sich das so vorstellen: Ein Kommentator oder eine Kommentatorin sitzt in einem Raum hinter dem Publikum und beschreibt auf einem eigenen Audio-Kanal das Geschehen auf der Bühne. Im Falle von Tanz können dies Bewegungsabläufe oder Lichtveränderungen sein. Zu hören ist dieser Audiokanal mittels UKW-Radioempfänger (z. B. alter MP3Player) und Kopfhörern.
Barrierefrei auf mehreren Ebenen
Auch sonst bemüht sich das Tanzquartier um ein möglichst zugängliches und barrierefreies Kulturangebot. Einzelne Performances werden in Österreichische Gebärdensprache übersetzt, live untertitelt oder akustisch mittels induktiver Höranlage verstärkt. Mithilfe von Icons ist die jeweilige Zugänglichkeit im Programmheft gekennzeichnet. Auf der Website finden gehörlose Menschen, Personen mit Sehbehinderung oder Blindheit sowie Menschen mit Mobilitätseinschränkung Informationen zum barrierefreien Angebot.
Wachrütteln in der Kunstvermittlung
Dass das Thema Barrierefreiheit jetzt im Tanzquartier großgeschrieben wird, ist vor allem der Kunstvermittlung zu verdanken, allen voran der jetzigen Kunstvermittlerin Theresa Rauter. Als sie vor ungefähr einem Jahr einen Artist-Talk per Zoom organisierte, fragte der Moderator, ob der Talk auch mit Untertiteln oder Gebärdensprache angeboten würde. „Es war mir sehr unangenehm, weil ich bisher als Kulturvermittlerin noch nicht daran gedacht hatte. Das war für mich wie ein Wachrütteln“, erzählt sie.
Vor einem Jahr ist sie das Thema dann angegangen – mit einem Fokus auf die Bereiche Hören, Sehen, Gehen. Als Kunstvermittlerin ist sie Schnittstelle zwischen Kunstschaffenden und dem Publikum. Ihre Aufgabe ist es, den Zugang für alle Menschen zu öffnen und Begegnungen zu schaffen.
Tolles Feedback
Für die Mitarbeitenden gab es einen Sensibilisierungskurs, abgehalten von der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs. „Für mich ist das wie ein Erste-Hilfe-Kurs zum Abbau von Berührungsängsten, jeder sollte ihn machen“, sagt Theresa Rauter. Vonseiten der Mitarbeitenden gab es durchwegs tolles Feedback, und auch die Kunstschaffenden begrüßen den Abbau von Barrieren im Kulturbetrieb, auch wenn es manchmal herausfordernd ist, einerseits barrierefreien Zugang zu gewähren und andererseits starke Eingriffe in die Performance zu vermeiden.
Inwiefern das neue Barrierefreiheits-Angebot dem Publikum mit Behinderungen zusagt, lässt sich heute noch nicht sagen. Hier Feedback einzuholen steht aber ganz oben auf der Liste der Kulturvermittlerin, ebenso wie ein Austausch mit lokalen und internationalen barrierefreien Kulturanbietern und Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung. Theresa Rauter findet: „Es ist höchste Zeit für Selbstverständlichkeit in puncto Barrierefreiheit. Es gibt natürlich noch viel zu tun. Da darf man keine Angst haben, Fehler zu machen. Es ist ein Lernprozess. Irgendwo muss man starten, eins nach dem anderen.“
Programmvorschau
Im Jänner gab es eine Performance von Jefta van Dinther und Cullberg mit Live-Audiodeskription und induktiver Höranlage. Am 25. Februar wird es eine Performance („Everybody’s Fantasy“ von Jen Rosenblit) mit Live-Untertiteln in englischer Sprache und induktiver Höranlage sowie einen Artist-Talk mit Live-Dolmetschung in Gebärdensprache geben. Im Frühling ist eine haptische Performance für Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit geplant. Termine und Details werden auf der Webseite veröffentlicht.