Gentherapie
Medizin informiert
Kaum etwas wird so kontrovers diskutiert wie der Einsatz von Gentherapie in der Medizin. Für die einen Hoffnungsträger, für Skeptiker geradezu Teufelszeug.
Jene, die auf Therapie hoffen, empfinden den Fortschritt oft quälend langsam. Christian Zehetgruber, Geschäftsführer der Hilfsmittelfirma VIDEBIS, wurde schon vor 30 Jahren in Aussicht gestellt, in wenigen Jahren könne man seine Netzhautdystrophie erfolgreich genetisch „reparieren“. Davon konnte leider keine Rede sein, doch Forschungsergebnisse zeigen eine deutlich positive Entwicklung.
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Ritter, Leiter der Ambulanz für erbliche Netzhauterkrankungen am AKH, hat in einem Vortrag Einblick in die wichtigsten Aspekte gegeben. „Beim molekularen Mapping von Netzhautdystrophien wurden über die letzten Jahre sehr bedeutsame Fortschritte erzielt. Waren im Jahr 1990 noch weniger als 20 ursächliche Gene bekannt, sind es mittlerweile um die 300. Die Kenntnis darüber bildet die Basis für die Therapie.“
Seltene Krankheiten
Erbliche Netzhauterkrankungen (Netzhautdystrophien) zählen zu den seltenen Krankheiten, gleichzeitig umfasst der Begriff unterschiedliche Krankheitsbilder. Dazu gehören die größere Gruppe der Stäbchenzapfen Dystrophien, die oft unter dem Begriff „Retinitis Pigmentosa“ zusammengefasst werden, aber auch Makuladystrophien wie der Morbus Stargardt. „Die Diagnosefindung ist oft sehr langwierig, da die Krankheitsbilder sehr variieren können. Bisher gab es auch wenige Behandlungsmöglichkeiten. Mittlerweile ist der Großteil der ursächlichen Gene für Retinitis Pigmentosa identifiziert. Hinter vermeintlich einem Krankheitsbild stehen also ganz verschiedene Gene“, führt Dr. Ritter aus. Erst nach der genetischen Untersuchung und der Interpretation der Resultate ist dann eine zielgerichtete Gentherapie möglich.
Was ist aber Gentherapie überhaupt? Was kann man sich darunter vorstellen?
„Gentherapie bedeutet Transport von genetischem Material (DNA) in lebende Zellen mit dem Ziel, Erkrankungen zu behandeln, es wird dabei ein krankes Gen durch ein gesundes ersetzt.“ erklärt der Augenarzt. „Bei der bisher zugelassenen Gentherapie für Netzhautdystrophien ermöglicht ein modifiziertes Virus einen effizienten Eintritt in die Netzhautzellen, aber das transportierte genetische Material wird nicht in das menschliche Wirtsgenom eingebaut, sondern persistiert außerhalb, wirkt also nicht Erbgut verändernd“, nimmt er auch gleich eine Besorgnis vorweg.
Auch bezüglich der befürchteten Nebenwirkungen muss man differenzieren. „Die beschriebenen Risiken der Gentherapie sind nicht durch das eingesetzte Therapeutikum als solches bedingt, wohl aber kann der operative Eingriff uner wünschte Folgen haben, wie bei jeder anderen Augenoperation auch gewisse Risiken vorhanden sind. Das Auge ist grundsätzlich aber ein optimales Einsatzgebiet für Gentherapie, da es sich um ein geschlossenes System handelt. Eine Grundvoraussetzung ist allerdings, dass noch ausreichend lebende Netzhautzellen vorhan den sind, um Erfolg haben zu können. Das kann mit Spezial geräten relativ schnell festgestellt werden“, erläutert Dr. Ritter.
Es gibt also Hoffnung, doch es braucht auch noch Geduld.
Die Gentherapie ist am AKH Wien bereits möglich, jedoch derzeit nur für die sehr seltenen, durch das RPE65-Gen bedingten Netz hautdystrophien. Gentherapien für etwas häufigere Netzhautdys trophien, wie die Choroiderämie oder die X-chromosomal vererbte Retinitis Pigmentosa, zeigen in multizentrischen Studien vielversprechende Ergebnisse und werden vermutlich in den nächsten 5 Jahren in Europa/Österreich zugelassen. Für beispielsweise die sehr häufig auftretende alters bedingte Makuladegeneration, AMD, ist diese Form der Therapie leider noch nicht einsetzbar.
Videbis hilft
„Für diese Patienten bleibt die Versorgung mit vergrößern den Sehhilfen und Hilfsmitteln die erste Wahl, um die Selbst ständigkeit im Alltag (z. B. beim Lesen) zu erhalten und somit Lebensqualität zu sichern“, stellt Christian Zehetgruber von Videbis fest. Der Einsatz von Gentherapie zur Behandlung von erblichen Netzhautdystrophien ist jedoch erfolgversprechend: „Man kann sicher sagen, dass Gentherapie die nächste Zukunft verändern wird. Da muss man dranbleiben“, zeigt sich Prof. Dr. Ritter zuversichtlich.