Unsere Mitglieder erzählen - Angela Dangl
Persönlichkeiten, Mitglieder
Unsere Mitglieder sind das Herz der Hilfsgemeinschaft. Über 4.600 Menschen mit einer starken Sehbeeinträchtigung dürfen wir mit unseren Angeboten unterstützen. Hier am Blog wollen wir unsere Mitglieder vorstellen und sie zu Wort kommen lassen.
Heute ist unser Mitglied Angela Dangl im Interview.
Helga Bachleitner im Gespräch mit Angela Dangl
Unsere Mitglieder sind das Herz der Hilfsgemeinschaft. Über 4.300 Menschen mit einer starken Sehbeeinträchtigung dürfen wir mit unseren Angeboten unterstützen. Hier am Blog wollen wir euch immer wieder Mitglieder vorstellen und sie zu Wort kommen lassen.
Heute ist unser Mitglied Angela Dangl im Interview mit Helga Bachleitner, der Leiterin der Kommunikation bei der Hilfsgemeinschaft.
Erzählen Sie uns ein bisschen über sich: Wie alt sind Sie, wo leben Sie, was machen Sie beruflich, was haben Sie für Hobbies?
Ich feierte gerade meinen 36. Geburtstag, habe einen 16-jährigen Sohn. Ich lebe in Niederösterreich, bin zum zweiten Mal verheiratet und bin bei meinem Mann angestellt. Hier mache ich Telefonkorrespondenz und bearbeite E-Mails, genauso reinige ich das Büro und serviere Kaffee.
Vor zwei Jahren habe ich mich zusätzlich selbstständig gemacht: ich bin Kartenlegerin und Humanenergetikerin und habe im Eigenverlag ein Buch geschrieben mit dem Titel „Beruf(ung) Hexe? Der Weg zur Hexe“.
Meine Hobbies sind unser Garten, den ich größtenteils selbst pflege, sowie unser kleiner Hund Shadow.
Wie sind Sie auf die Hilfsgemeinschaft aufmerksam geworden?
Über das Internet. Mein Mann und ich suchten in Google nach Hilfe für Blinde und Sehbehinderte Menschen in Österreich.
Seit wann sind Sie Mitglied bei der Hilfsgemeinschaft?
Ich bin seit ca. zwei Monaten Mitglied, die Mitgliedskarte habe ich letzte Woche zugeschickt bekommen.
Welche Art von Sehbehinderung haben Sie und seit wann?
Ich bemerkte im Oktober 2015 dass irgendetwas mit meinen Augen nicht stimmt. Irgendwie habe ich immer schlechter gesehen, konnte es jedoch kaum zuordnen. Ich wechselte meinen Augenarzt. Von meiner neuen Ärztin bekam ich aber leider keine Aussagen, mit denen ich etwas anfangen konnte. Sie meinte ich sei hysterisch und sehe ja eh nicht so schlecht. Trotzdem blieb für mich das ganze Thema mit meinen Augen aufrecht.
Eines Tages, als ich bei einer ganz lieben Familie die Karten für die „fast blinde“ Tante legte, kam ich mit dieser Frau in Folge ins Gespräch. Ich erzählte ihr, dass meine Augen ebenfalls immer schlechter werden, dass ich jedoch von den Ärzten keine Hilfe bekomme. Ich erzählte ihr, dass ich schon ziemlich verzweifelt bin und nicht mehr weiterweiß. Ich hatte großes Glück! Sie hörte mir zu und meinte, dass sie einen sehr guten Privatarzt kennt, der allerdings leider keine neuen Patienten aufnimmt. Da sie schon selbst seit vielen Jahren bei ihm Patientin ist, wird sie ihn fragen, ob er mich mich annimmt. Gesagt getan, im Februar 2016 hatte ich meinen ersten Termin in der Privatklinik beim Augenarzt.
Dieser Augenarzt hörte mir endlich zu – und ich erklärte ihm, dass meine Augen immer schlechter werden. Ich erzählte ihm, dass alles ganz seltsam ist. Dass es sehr schwankt, ich in der Ferne und in der Nähe manchmal kaum etwas sehe und dass ich ohne Lupe schon gar nicht mehr lesen kann. Ich berichtete dem Arzt, dass ich im letzten Jahr alle drei Monate eine neue Brille und auch neue Kontaktlinsen bekommen hatte – welche mir aber nicht halfen. Dieser Arzt schickte mich sofort ins Allgemeine Krankenhaus, wo meine Untersuchungen begannen. Über Wochen und Monate hatte ich laufend Untersuchungen im Krankenhaus. Vieles musste ich da über mich ergehen lassen. Es war eine schreckliche Zeit von Höhen und Tiefen, von Hoffnung und Hoffnungslosigkeit.
Am Ende der ganzen Untersuchungen im Sommer 2016 kam dann die Diagnose: Amblyopie beidseits „das stumpfe Auge“ - Schwachsichtigkeit auf beiden Augen, die auf einer unzureichenden Entwicklung des kompletten Sehsystems, während der frühen Kindheit, beruht.
Das Ergebnis ist eine Verstärkung der Sehschwäche, die nicht, oder zumindest nicht ausreichend, durch organische Fehler erklärt werden kann und die auch bei optimaler Korrektur mit Brille oder Kontaktlinsen fortbesteht. Amblyopie auf einem Auge wird häufig von den Patienten nicht einmal wahrgenommen, bei mir betrifft es jedoch beide Augen. Zusätzlich wurde noch ein kleiner Tumor im Kopf gefunden, den ich scheinbar auch schon seit meiner Kindheit habe, welcher jedoch laut neurologischem Befund nicht beunruhigend ist.
Amblyopie, das musste ich dann feststellen, ist in Österreich keine „anerkannte Augenkrankheit“, denn meine Augen sind ja „medizinisch gesund“. Amblyopie betrifft das ganze Sehsystem: mein Gehirn, meine Sehnerven und meine Augen arbeiten nicht mehr richtig zusammen. Mein ganzes Sehsystem ist unterentwickelt und entwickelt sich seit Oktober 2015 rasant zurück. Das kann bis zur Blindheit führen und meine Patientenkartei kam zu den Akten der Sonderfälle.
Innerhalb von einem Jahr ging mein Visus von 0,8 beidseits auf 0,2 beidseits zurück und leider geht er von Monat zu Monat weiter zurück. Eine Behandlungsmöglichkeit gibt es – zum heutigen Stand der Medizin – nicht. Wäre diese „Schwachsichtigkeit“ in der frühen Kindheit schon aufgefallen, dann hätte man es noch behandeln können. Heute, mit meinen 36 Jahren, kann man leider nichts mehr machen – das war die Aussage der Ärzte. Leben sie damit, sie werden blind!
Was finden Sie in Zusammenhang mit der Sehbehinderung besonders schwierig, anstrengend, belastend in Ihrem Leben?
Besonders schwierig ist für mich, dass man vor einer Sehbehinderung nicht davonlaufen kann. Man wacht jeden Tag in der Früh auf und glaubt, man hätte das alles nur geträumt. Doch leider merkt man, sobald man die Augen öffnet, es ist die bittere Wahrheit – ich sehe kaum noch etwas.
Eine Sehbehinderung bringt Veränderungen in jeglicher Lebenssituation mit sich. Es gibt keinen Moment des Tages, wo man nicht damit konfrontiert ist. Man muss sich in allen Lebenslagen damit auseinandersetzen.
Anfangs brach alles in mir zusammen, nichts war mehr wie früher. Heute schlichte und sortiere ich mein Leben neu.
Was ist hilfreich für Sie?
Mein Mann, meine Familie, meine Freunde und alle Menschen die ich über die Hilfsgemeinschaft bis jetzt kennenlernen durfte.
Welches Angebot der HG haben Sie schon genutzt?
Nachdem ich immer eine Leseratte war und auch selbst ein Buch geschrieben habe, war das Allerschlimmste für mich, nicht mehr lesen zu können. Mittlerweile besuche ich den Braille-Lesekurs der Hilfsgemeinschaft und freue mich jeden Tag darüber, welche Fortschritte ich mache. Einen großen Teil meiner ganz persönlichen Lebensqualität bekomme ich dadurch zurück. In Folge möchte ich auch das Computerbraille lernen, damit ich weiter am Berufsleben teilnehmen kann.
Ich fühlte mich oft sehr alleine mit meinem Augenproblem. Wundervoll finde ich es jetzt, durch die Hilfsgemeinschaft, Gleichgesinnte kennenzulernen und mich mit ihnen austauschen zu können. Sogar eine Führung für sehbehinderte und blinde Menschen im Haus der Musik durfte ich durch die Hilfsgemeinschaft schon miterleben.
Früher war ich ein sehr kreativer Mensch, heute habe ich das Gefühl, dass ich in diesem Bereich nichts mehr alleine schaffen kann. Durch das Kursangebot „Kreatives Gestalten“, welches von der Hilfsgemeinschaft angeboten wird, nahm ich das erste Mal wieder einen Pinsel in die Hand. Ich kann es bis jetzt noch kaum glauben, ich zeichnete einen Baum. Mein neuer bunter Lebensbaum – täglich sehe ich ihn vor meinem geschlossenen Auge!
Auch besuchte ich schon einmal den Hilfsmittelshop der Hilfsgemeinschaft. Langsam aber sicher statte ich mein Haushaltssortiment und meinen Arbeitsplatz mit Hilfsmitteln aus.
Was schätzen Sie besonders am Angebot der Hilfsgemeinschaft?
Ich schätze ganz besonders, dass alles sehr unkompliziert abläuft, dass auf meine speziellen Probleme, die durch die Sehbehinderung vorhanden sind, Rücksicht genommen wird und ich in allen Belangen unterstützt werde. Gemeinsam finden wir neue Wege und Möglichkeiten und ich finde für so viele meiner Fragen, durch kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hilfsgemeinschaft, Antworten.
Was wünschen Sie sich als Mitglied von unserer Organisation?
Ich wünsche mir, dass alles in der Hilfsgemeinschaft weiter so bleibt wie es ist. Meine Seele ist sehr berührt durch meine Erlebnisse im letzten Jahr. Jede einzelne Person der Hilfsgemeinschaft trägt zur Heilung dieses Seelenschmerzes bei. Alle sind sehr freundlich und immer ganz nett und ich „sehe“ wieder Licht – ich sehe Hoffnung!
Was ist ein großer Traum oder Wunsch, ein Ziel in Ihrem Leben?
Mein großes Ziel im Leben ist, dass ich wieder meine Selbstständigkeit finde. Ein Traum wird das nicht bleiben, denn ich bin am besten Weg dorthin!
Gibt es etwas, das Sie anderen Menschen mit Sehbehinderung sagen wollen?
Ihr Lieben, ich selbst weiß, wie sehr einem die Sehbehinderung aus der Lebensbahn wirft. Gebt niemals auf und lasst euch helfen, denn gemeinsam ist alles ein klein wenig einfacher.
So danke ich, im Namen aller Mitglieder der Hilfsgemeinschaft, für den gemeinsamen Weg!